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Stadionknigge, oder: was ist los mit uns?

Jun 19, 2015 - 4:58 PM hours
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1541
Dec 8, 2023 - 11:52 AM hours
Zitat von Troglauer
Zitat von Lullaby

Zitat von Troglauer

Was wird denn bitte nicht hart kritisiert?


Kommt immer auf die Argumente an.

Beste Grüße
Lullaby

Ich habe ja eher den Eindruck, dass es vor allem auf den politischen Standpunkt ankommt aber die Relativierung von Missständen ist in meinen Augen kein Argument, sondern die Kapitulation vor Problemen, die zugebenermaßen nicht mit Nulltoleranz alleine gelöst werden können aber ganz bestimmt nicht mit der Sozialromantik aus den 70er Jahren.


Es geht hier nicht um hart kritisiert - die Broken-Windows-Theorie ist am Rande von widerlegt einzuordnen. Hier ist die maßgebliche Meta-Studie https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0022427815576576

Letztlich beruhen viele vermeintliche Erkenntnisse aus der Broken-Window-Theorie auf fehlerhafter Anwendung von Statistik und der Verwechslung von Korrelation mit Kausalität. Dass Viertel mit hohem Verwahrlosungsgrad höhere Kriminalitätsraten haben und eine intensivere Präsenz "etwas" bringt ist ja nicht wirklich fundamental überraschend - was aber mehr bringt ist Kooperation und auf Lösungen orientiert sind.

Andererseits zeigt aber z.B. das Kanabis-Thema in den Niederlanden, dass Akzeptanz und Ignoranz von Regelverstößen die Sache in der Tat schlimmer macht.

Aber das geht an der Sache für mich vorbei:

Pyrotechnik hat für mich in Stadien nichts zu suchen. Nicht einfach nur weil es verboten ist, sondern weil es ZU RECHT verboten ist. Es ist unglaublich gefährlich auf engem Raum so ein Zeug zu zünden - noch dazu nicht von dazu befähigten Personen sondern tendenziell von den größten Chaoten die man finden kann.

Es kann und darf nicht sein, dass man Kinder nicht in bestimmte Stadionabschnitte mitnehmen sollte oder kann. Es kann nicht sein, dass man um Fußball im Stadion erleben zu können sich einem solchen Risiko aussetzen muss.

Mit Blick auf die regelmäßigen Entgleisungen und Eskalationen - die aus dem gleichen Lager kommen wie die Pyro-Exzesse - ist hartes Durchgreifen und wenig Toleranz fast unvermeidlich. Man kann es auch nicht dulden, wenn Leute zu sowas aufrufen oder es fördern.
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1542
Dec 8, 2023 - 11:53 AM hours
Warum ist das eigentlich immer mal wieder so ein Problem sich angebracht zu benehmen,
wie es Regeln vorgeben? Warum bitte?
Die Regeln gibt das jeweilige Hausrecht vor und der Veranstalter. Aus Amen.
Im eigenen Haus kann man auch den Veitstanz aufführen im Tüllröckchen. Oder das vorgeben.
Aber anderswo ist man im fremdem Haus. Da gelten andere Regeln.
Ich kote ja auch nicht bei irgendeinem Konzert öffentlich auf den Boden, weil ich gerade Lust drauf habe
oder muss. Sondern gehe auf die Toilette - wenn wir schon bei den ständigen mehr oder weniger guten Vergleichen von Situationen sind - oder sind wir langsam wieder in der Steinzeit / bei den Hottentotten?
Mich nervt das so abnormal, dass man mittlerweile in so eine Richtung schwenkt,
alles lax gerade so durchzuwinken und alles in so eine "mein Hund will nur spielen" Richtung abdriftet.
Leine deinen Hund an, so sind die Regeln im Park und mach hier nicht den Kleinstadt-Rebell.
Danke bitte.

Vorschlag: Zäunt einen Bereich im Stadion ein, ähnlich wie die "Käfig-Barriere" bei den Gäste-Fans
und fackelt es da kontrolliert ab. Aber klar - ist nicht gewollt. Ist zu wenig provokant
und das Gefühl in der Kurve fühlt sich halt nochmal geiler an, wenn die "Normalos" entweder Bedenken haben oder Angst. Daraus zehrt sich doch die ganze Aktion.
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1543
Dec 8, 2023 - 12:22 PM hours
[quote=Callavera
Vorschlag: Zäunt einen Bereich im Stadion ein, ähnlich wie die "Käfig-Barriere" bei den Gäste-Fans
und fackelt es da kontrolliert ab. Aber klar - ist nicht gewollt. Ist zu wenig provokant
und das Gefühl in der Kurve fühlt sich halt nochmal geiler an, wenn die "Normalos" entweder Bedenken haben oder Angst. Daraus zehrt sich doch die ganze Aktion.

Genau diese Lösung wurde schon öfter thematisiert und in Gespräche mit DFB angebracht. Letztendlich hat sich der DFB hier dagegen ausgesprochen. Zu beachten ist, dass in Skandinavien, Österreich und in der Schweiz ähnliche Regelungen existieren. Dort wird das Abbrennen von Pyrotechnik geduldet.
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1544
Dec 8, 2023 - 1:35 PM hours
Warum zum roten Teufel soll man Regeln lockern für Menschen, die sich nicht an Regeln halten (aus charakterlichen Gründen wollen und/oder intellektuellen können)? Man versteht erst, wer in welchen Block gehört, wenn eine Umlaufsperre kommt, man zündelt, man pöbelt, man beleidigt....
Wenn ich Teil der 40-50 Tausend auf dem Betze sein will, halte ich mich an die Regeln. Wenn ich unbedingt Fackeln beim Fussball brauche, dann zündele ich halt zuhause vorm TV bei sky-gucken.
Beschwert euch nicht, Zündler werden doch bereits längst geduldet, niemand unternimmt was dagegen.

Abgesehen von der Gefahr, die das Ganze ausstrahlt, kotzt mich halt schlicht und ergreifend mittlerweile an, dass genau diese Leute, die dem Verein wissentlich und absichtlich und absichtlich finanziell schaden sich gerne selbst als die "wahren Fans" bezeichnen und sichan Regeln haltende als "Normalos" verunglimpfen.

Jedes Abbrennen eines Pyros kostet 600 Euro Strafe. Das sind fast 3 Dauerkarten.

Pyroverbrennende Id...en sind für mich keine Fans. Keine Fussballfans, schon garkeine FCK-Fans.
Sondern Straftäter!

•     •     •

NUR der FCK...
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1545
Dec 8, 2023 - 2:11 PM hours
Die Diskussion bestärkt mich mehr und mehr in meiner Denkweise, dass das Internet und die sozialen Medien nicht repräsentativ sind. Von den ganzen Hetzern gegen Thomas Hengen hat man auf der JHV keinen gesehen, im Stadion gab es keine Schuster raus Rufe und im Stadion gibt es kein Gegenwind gegen Pyro. Alles sind nur Erscheinungen im Internet. Von daher ziehe ich mich jetzt hier aus der anonymen Internetdiskussion zurück.
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1546
Dec 8, 2023 - 4:12 PM hours
Zitat von Troglauer

Als wäre der Beitrag, der die Ultras von heute auf eine Stufe mit der italienischen Arbeiterbewegung der 70er Jahre stellt, kein Populismus gewesen. Nicht jeder, der gegen das StGB verstößt, Mülleimer abtritt und Plakate beschmiert, ist ein Nonkonformist, der gegen das Establishment aufbegehrt.


Ich habe nichts auf eine Stufe gestellt. Lediglich die Wurzeln des Diskussionsgegenstandes benannt. Der Großteil der einschlägigen Literatur geht von diesem Ursprung aus. Wo du darin Populismus findest, erschließt sich mir aber beim besten Willen nicht.

Auch ich selbst habe mich schon mit Ultras, ihrer Geschichte und ihrem Verhältnis zu Gewalt befasst. Über diese Wurzeln sind inzwischen 50 Jahre Veränderungen und Anpassungsprozesse gewachsen. Da haben sich verschiedenste Strömungen aus Jugend- und Protest- und Fußballfankulturen der vergangenen Jahrzehnte miteinander vermischt und das hervorgebracht, was wir heute in den Stadien sehen. Ob man das Ergebnis dieses Prozesses unterstützenswert und gut findet, steht selbstverständlich jedem persönlich frei.

Man kann diese Leute natürlich auch einfach als pöbelnde, gewalttätige Trottel abstempeln, die außer Krawall nichts zustande bringen. Das ist wunderbar einfach, verrät aber mehr über den eigenen Horizont als über den der Kritisierten.

Die einfachste mögliche Antwort auf diese Problematik ist IMMER: Law and Order. Verbieten, verfolgen, HART bestrafen. Um zu zeigen, wo sowas hinführen kann, will ich nur mal das Stichwort Prohibition in den Raum werfen. Für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Wirkung von drakonischen Strafen sind aber wieder eher die Soziologen unter uns gefragt.

Von mir nur so viel dazu: Geisterspiele als Strafe für Pyro führen meiner Einschätzung zu genau einem Ergebnis: Einer sehr, sehr langen Reihe von Geisterspielen. Die Ultraszenen hassen sich teilweise untereinander, ja. Aber die sind bestens vernetzt und bereit und willens, als kollektiv zu handeln, wenn es aus ihrer Sicht erforderlich ist. Stichwort "getrennt in den Farben, doch in der Sache vereint."

Wesentlich erfolgversprechender wäre das englische Modell: Stehplätze weg, Ticketpreise mindestens verdoppeln und organisierte Fanszenen systematisch zurückdrängen. Wenns soweit kommt, bleibe ich für meinen Teil lieber zu Hause. Wünsche aber jedem, der diese Art von Stadionerlebnis bevorzugt, viel Spaß dabei.

•     •     •

"Vertraue niemals Zitaten aus dem Internet" - Abraham Lincoln
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1547
Dec 8, 2023 - 5:07 PM hours
Es gibt an jedem Wochenende zu Hunderttausenden brandgefährliches jugendliches Risikoverhalten zu sehen, bei fast jedem Feiern - wo auch immer. Und immer wieder geht es glimpflich aus, bis dann ein 19-Jähriger zugedröhnt frontal in ein entgegenkommendes Fahrzeug rasselt und mehrere Menschen sterben. Tatsächlich ist unsere Gesellschaft bis zu einem gewissen Grad bereit, diese Risiken in Kauf zu nehmen. Und weisen (nicht nur) Jugendliche im Gegenzug völlig zurecht darauf hin, dass die, die sie da mit Sanktionen überziehen wollen, selber für ein Zivilisationsmodell stehen, dass die ganze Welt und viele Arten über den Menschen hinaus kurz- bis mittelfristig in den Abgrund zu stürzen droht. Die größten Profikiller auf diesem Planeten seien Markt, Staat und Unternehmen. Schon richtig, wir sind hier in einem Fußballforum und das genannte Argument ist von seiner Struktur her Whataboutism - aber es ist eben auch eine Tatsache, dass diese Gesellschaft bereit ist, Leid und Tod von Unbeteiligten in hohem Ausmaß zu tolerieren - Gott sei Dank, ohne dabei Vernichtungsphantasien gegen die Täter in Schlips und Kragen hervorzubringen. Dass man dann aber derart krasse Affekte gegen Ultras mobilisiert, ist durchaus unverhältnismäßig. Und dabei sogar Parallelen zur RAF zieht, die man doch schließlich auch hat zerreiben können. Ich bin da bei @Lullaby - wie immer man in der Sache optiert, das Thema an sich ist in einem größeren Kontext betrachtet schlicht Peanuts.

In der Sache bin ich persönlich total bei den Ultra-Gegnern; und für mich ist das auch keine "tolle Stimmung", weil es mir alles viel zu inszeniert und spielsituationsunabhängig ist. Und ich finde deren Risikoverhalten auch absolut unverantwortlich. Ich bin hier im Forum auch selbst lange Zeit diese totale Repressionsschiene gefahren. Aber es macht einen letztendlich selbst so nutzlos, weil man nicht lösungsorientiert agiert. Ich selbst kenne das von mir bei der AfD, wo ich auch jeglichen Dialog ablehne und mich umgehend von Menschen entferne, die solche Positionen vertreten, weil ich letztere als unentschuldbar empfinde. Damit bin ich aber eben auch für jeden Versuch einer Abmilderung der politischen Spaltung in diesem Land komplett unbrauchbar! Wut und Verachtung sind einfach totale Sackgassen. Man kann aber niemanden davon überzeugen, mal über den eigenen Schatten zu springen und anderen zuzuhören, das ist mir völlig klar.
This contribution was last edited by Newtrial on Dec 8, 2023 at 5:29 PM hours
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1548
Dec 8, 2023 - 5:52 PM hours
Das mit dem Dialog ist ja so ne Sache. Mit Sicherheit findest du in jeder Ultragruppierung in Europa kluge Köpfe, die von der Idee selbst überzeugt sind und die stundenlang über die gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Wurzeln referieren können. Natürlich kann und soll man mit solchen Leuten reden. Die Frage ist aber, welche Wirkkraft irgendwelche Vereinbarungen, die man mit *diesen* Leuten sicherlich aushandeln könnte - soweit die „systemimmanent“ überhaupt mit der grundsätzlichen Ablehnung hoheitlicher Maßnahmen vereinbar sind zwinker -, für die gesamte Gruppe überhaupt hätten.

Die Realität im Stadion sieht nämlich leider so aus: Platz da, hier kommen wir!
Meine „Diskussionserfahrung“ mit ein paar FCK-Ultras ist da auch sehr ernüchternd. Sinngemäß: Wir machen das, weil es verboten ist und wir damit provozieren können.
Daher die Frage: Inwiefern bindet bitte eine Vereinbarung mit den zugänglichen Köpfen dieser Gruppierungen den Rest? Im „besten“ Fall fliegen die Chaoten bei einer gemäßigten Gruppierung raus und schließen sich dann einer Hardliner-Gruppierung an, die den erzielten Konsens ablehnt. Wie soll denn eine „Selbstreinigung“ oder Selbstverpflichtung in einer Struktur funktionieren, die per se auf „dagegen“ und „Provokation“ ausgerichtet ist und die vor allem unendlich heterogen ist?

•     •     •

Berlin 25. Mai 2024 - Danke, schwieriges Umfeld!
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1549
Dec 8, 2023 - 6:52 PM hours
Zitat von FCK-Tribun
Daher die Frage: Inwiefern bindet bitte eine Vereinbarung mit den zugänglichen Köpfen dieser Gruppierungen den Rest? Im „besten“ Fall fliegen die Chaoten bei einer gemäßigten Gruppierung raus und schließen sich dann einer Hardliner-Gruppierung an, die den erzielten Konsens ablehnt. Wie soll denn eine „Selbstreinigung“ oder Selbstverpflichtung in einer Struktur funktionieren, die per se auf „dagegen“ und „Provokation“ ausgerichtet ist und die vor allem unendlich heterogen ist?

Das ist ein mühsamer und mitunter frustrierender Prozess. Was du bewirkst ist, dass sich die internen Diskussionen um die Legitimität und Inhalte dieser Verhandlungen drehen und man bei den eigenen "klugen Köpfe" zumindest mal zuhört. Das ist schon ein erster Schritt zur Reflexion und sukzessiven Veränderung von Gruppennormen. In diesen Gruppierungen wird fortwährend diskutiert, die sind keineswegs ein tumber, homogener "Capo befiehl, wir folgen!"-Verein. Schon der Streit um die Weiterführung oder den Abbruch von Gesprächen öffnet da diskursive Räume, die es sonst eben nicht gegeben hätte. Ich würde kollektive Selbstverpflichtungen da nicht von vorneherein ausschließen. Und sogar die von dir beschriebene Abspaltungsdynamik verändert die Perspektiven der Handelnden.

Genau das Gegenteil passiert im Stadion: da inszeniert man sich als kollektividentitärer Block. Aber schon in einem Fanbündnis werden Differenzierungen und Kontroversen sichtbar. Verhandlungen sind aber kein Trick, um sie auf Linie zu bringen und werden bestenfalls kleinere Änderungen in den Gruppennormen hervorrufen. Ich halte es z.B. durchaus für möglich, dass das Abfeuern von Raketen in gegnerische Fanblocks oder auch das Werfen brennender Fackeln in untere Ränge in der Gruppennorm geächtet wird. Niemals liefern die solche Leute dann an die Polizei aus, aber eine "Selbstreinigung der Kurve" könnte da durchaus stattfinden, indem man sich selbst darum "kümmert".

Provokation und Opposition wird man nicht aus deren DNA entfernen können. Ich bin da auch absolut nicht gegen Sanktionen, insofern eine gewisse Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Im Grunde ist das wie bei pubertierenden Teenagern und ihren Eltern: Du könntest den Junior mitunter an die Wand klatschen oder ungespitzt in den Boden rammen, aber nichts wäre destruktiver als elterlicher Liebesentzug. Die grundlegende Message ist: "Einige eurer Verhaltensweisen sind inakzeptabel und können nicht toleriert werden, aber wir reduzieren euch als Personen und als Träger einer gewissen Subkultur nicht darauf!" Wieviel Liebe und Kreativität fließt denn zum Beispiel bitte in manche Choreos? Es geht darum, mehr Facettenreichtum zu generieren und nicht immer wieder alles auf die eine große Spaltungslinie und Sinngrenze zu reduzieren. Vielleicht gibt es in einigen Gruppen antifaschistische und antirassistische Aktivitäten, an die sich anknüpfen lässt, während andere Gruppierungen genau für solche Orientierungen anfällig sind. --- Immer, wenn du in so eine soziale Welt wie DIE Ultras reinzoomst, erhältst du ein reichhaltiges Bild, das dein Urteil der ungeteilten ewigen Verdammnis etwas zügelt und dich differenzierter beobachten lässt. Darum geht es.

Verspricht dies eine schnelle und umfassende Lösung des Problems? Niemals! Ließe sich diese über mehr Repression erreichen? Zweifelhaft, da die Ultras in der sozialen Arena keineswegs isoliert und funktionslos sind, sondern zum Beispiel enge und widersprüchliche Handlungsverpflichtungen mit dem jeweiligen Verein unterhalten. Und der DFB kann sich seinerseits natürlich nicht komplett gegen die Vereine stellen. Also kommen genau die fragilen und temporären Machtgleichgewichte heraus, die man im Moment als für den Verband profitablen Ablaßhandel per Kollektivbestrafung von Vereinen beobachten darf.

So ist das eben in einer Demokratie: Das Durchschlagen des gordischen Knotens ist meist schlicht keine machtpolitisch machbare Option. Dazu gibt es zu viele eigenlogisch und voneinander weitgehend unabhängig operierende Stakeholder. Was dann bleibt, sind halt eben Aushandlungsprozesse.
This contribution was last edited by Newtrial on Dec 8, 2023 at 7:01 PM hours
Stadionknigge, oder: was ist los mit uns? |#1550
Dec 8, 2023 - 7:06 PM hours
Zitat von CvandenM
Zitat von Troglauer

Als wäre der Beitrag, der die Ultras von heute auf eine Stufe mit der italienischen Arbeiterbewegung der 70er Jahre stellt, kein Populismus gewesen. Nicht jeder, der gegen das StGB verstößt, Mülleimer abtritt und Plakate beschmiert, ist ein Nonkonformist, der gegen das Establishment aufbegehrt.


Ich habe nichts auf eine Stufe gestellt. Lediglich die Wurzeln des Diskussionsgegenstandes benannt. Der Großteil der einschlägigen Literatur geht von diesem Ursprung aus. Wo du darin Populismus findest, erschließt sich mir aber beim besten Willen nicht.

Auch ich selbst habe mich schon mit Ultras, ihrer Geschichte und ihrem Verhältnis zu Gewalt befasst. Über diese Wurzeln sind inzwischen 50 Jahre Veränderungen und Anpassungsprozesse gewachsen. Da haben sich verschiedenste Strömungen aus Jugend- und Protest- und Fußballfankulturen der vergangenen Jahrzehnte miteinander vermischt und das hervorgebracht, was wir heute in den Stadien sehen. Ob man das Ergebnis dieses Prozesses unterstützenswert und gut findet, steht selbstverständlich jedem persönlich frei.

Man kann diese Leute natürlich auch einfach als pöbelnde, gewalttätige Trottel abstempeln, die außer Krawall nichts zustande bringen. Das ist wunderbar einfach, verrät aber mehr über den eigenen Horizont als über den der Kritisierten.

Die einfachste mögliche Antwort auf diese Problematik ist IMMER: Law and Order. Verbieten, verfolgen, HART bestrafen. Um zu zeigen, wo sowas hinführen kann, will ich nur mal das Stichwort Prohibition in den Raum werfen. Für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Wirkung von drakonischen Strafen sind aber wieder eher die Soziologen unter uns gefragt.

Von mir nur so viel dazu: Geisterspiele als Strafe für Pyro führen meiner Einschätzung zu genau einem Ergebnis: Einer sehr, sehr langen Reihe von Geisterspielen. Die Ultraszenen hassen sich teilweise untereinander, ja. Aber die sind bestens vernetzt und bereit und willens, als kollektiv zu handeln, wenn es aus ihrer Sicht erforderlich ist. Stichwort "getrennt in den Farben, doch in der Sache vereint."

Wesentlich erfolgversprechender wäre das englische Modell: Stehplätze weg, Ticketpreise mindestens verdoppeln und organisierte Fanszenen systematisch zurückdrängen. Wenns soweit kommt, bleibe ich für meinen Teil lieber zu Hause. Wünsche aber jedem, der diese Art von Stadionerlebnis bevorzugt, viel Spaß dabei.

Ich hatte auf einen anderen Kommentar reagiert, der einem User Populismus vorgeworfen hat. Eigentlich verwende ich den Begriff selbst nicht gerne, weil er hauptsächlich als Kampfbegriff benutzt wird und man alles und nichts darunter subsumieren kann. Insofern gebe ich dir auch recht, dass dein Kommentar eigentlich nicht populistisch war (der andere Kommentar aber halt auch nicht).

Problematisch finde ich trotzdem die Anlehnung an eine Zeit und eine Bewegung, die aus meiner Sicht absolut gar nichts mit der deutschen Ultrabewegung zu tun hat. Für mich ist das mindestens zwei Nummern zu hochgestapelt aber ich gebe gerne zu, dass ich mich nicht so intensiv mit der Ultrabewegung in Deutschland beschäftigt habe. Man muss sich meiner Meinung nach aber auch nicht mit jeder Subkultur im Detail beschäftigen, um eine Position zu bestimmen Fragen zu finden.

Ich lebe nach dem Motto, dass jeder nach seiner Fasson glücklich werden soll. Ich unterhalte mich auch grundsätzlich mit jedem erst mal gerne und lehne Dinge nicht sofort ab, wobei ich mir durchaus das Recht heraus nehme, selbst zu entscheiden, worauf ich absolut keine Lust habe. Mit Ultras habe ich kein grundsätzliches Problem, in erster Linie sind sie mir relativ egal.

Ein Problem habe ich aber dann, wenn Ultras durch ihr Tun und Handeln andere Menschen in Gefahr bringen, bzw. andere Menschen die Konsequenzen für ihren Spaß tragen müssen. Die Ultras können sich schwarz anziehen, trommeln, singen, sich Choreos ausdenken, Banner bemalen und den Kommerz blöd finden soviel und solange sie lustig sind und damit anderen Stadionbesuchern nicht übermäßig auf den Wecker gehen. Aber sie dürfen keine Pyrotechnik anzünden und Böller abfeuern, wodurch andere Menschen gefährdet und regelmäßig verletzt werden, teilweise auch schwer.
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